Aus dem Fenster gefallen
Besonders tragisch sind immer Notfälle, die vermeidbar gewesen wären. Zu so einem Notfall wurde ich in den Abendstunden des 23. Februar 2010 gerufen. Der Kater „Lucka“ war aus dem dritten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses gefallen, als er auf dem nassen Fensterbrett spielte.
Von Daniel Prengel, Tierarzt. Vor Ort angekommen, hatte sich das verängstigte Tier unter dem Bett versteckt. Mit vereinten Kräften hoben wir das Bett hoch und die Besitzerin zog den Kater behutsam hervor. Augenscheinlich war er sehr schwach und wirkte mitgenommen. Lucka konnte nur ein bis zwei Schritte gehen und musste sich dann wieder hinsetzen. Das Gangbild deutete schon auf eine schwere Verletzung im Bereich des Beckens und/oder der Hinterbeine hin. Die genaue Untersuchung des Katers zeigte, dass er unter Schock stand, was sich in einer Temperatur von knapp 37 Grad Celsius (Normaltemperatur = 38-39 Grad Celsius) und sehr blassen Schleimhäuten mit verzögerter kapillarer Füllungszeit darstellte. Auch die Atmung war beschleunigt. Dies kann bei einem Sturz verschiedene Ursachen haben. Häufig reißen bei einem Sturz oder Unfall Lungengewebe oder Lungengefäße ein, wodurch Luft oder Blut auf die Lunge drückt und eine normale Atmung nicht möglich ist. Auch Zwerchfelleinrisse (Zwerchfell = Atmungsmuskel) sind möglich. Natürlich müssen nicht immer schwere Verletzungen der Atmungsorgane der Grund für verstärkte Atmung sein. Auch Schmerz auf Grund anderer Verletzungen und Prellungen können dazu führen. Die erhobenen Befunde machten es zwingend notwendig, Lucka nach Verabreichung eines schnell und kurz wirksamen Schmerzmittels mit Sauerstoffversorgung in die Klinik zu bringen, um ihn zu stabilisieren und nach der Stabilisierung die Verletzungen zu versorgen.
In der Chirurgischen Tierklinik der LMU wurde Lucka geröntgt und Brüche im Oberschenkel und Becken festgestellt. Zur Stabilisierung der Schocksituation legten die Kollegen dem Kater einen Zugang und versorgten ihn mit starken Schmerzmitteln und Infusionen. Bereits am nächsten Tag hatte sich die Kreislaufsituation so verbessert, dass Luckas Knochenbrüche chirurgisch versorgt werden konnten. Lucka ist noch einmal mit „einem blauen Auge“ davon gekommen.