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Gibt es einen Plan B? Was hat Tierschutz mit Klimawandel zu tun?

Foto: Gerd Altmann/Pixabay

von: Alexandra Pfitzmann
Redaktion Tierpost

Aktuelles –

Das Jahr 2019 war in großem Maße medial geprägt von den Aktionen der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg, die durch ihre Aufrufe tausende von Schülern motivierte, mit den sogenannten „Fridays for Future“ Demonstrationen auf den dringenden Handlungsbedarf im Klimaschutz hinzuweisen. Auch die Tierrettung München hat hier und da von Mitgliedern zu hören bekommen, man müsse sich doch nun mehr für den Klimaschutz einsetzen, sodass der Tierschutzgedanke zunächst für viele irgendwie in den Hintergrund rückte. Ja, die Lage ist ernst. Unser Planet scheint vor dem Kollaps zu stehen. Das Wort „Klimahysterie“ ist dabei gleichzeitig zum Unwort des Jahres 2019 gewählt worden. Viele Menschen sind des Themas scheinbar auch überdrüssig, sehen nicht die großen Zusammenhänge, die zwischen dem Verhalten des Menschen und den Konsequenzen für unsere Umwelt bestehen. Und der Tierschutz? Bleibt dieser nun auf der Strecke? Muss er dem Klimaschutz weichen? Wir klären auf.

Der Amazonas brennt. Der Kongo. Indonesien. Zuletzt Australien. Milliarden von Tieren haben bei diesen Bränden ihr Leben gelassen, vor allem in Australien. Warum brennt es überall? Rund 80.000 Brände wurden alleine im August 2019 in Südamerika gezählt. Es sind vor allem Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch die in Naturschutzgebieten und indigenen Ländereien. Viele Feuer sind von Menschenhand gelegt, und die Trockenheit des Landes tut ihr Übriges. Brandrodungen und Abholzungen im Regenwald werden in der Regel gezielt und „genehmigt“ vorgenommen. Die Flächen werden für den Anbau von Tierfutter, Palmöl und den Ausbau von Tierfarmen genutzt. Regenwälder aber sind wichtig, da sie eine enorme Menge CO2 aus der Atmosphäre absorbieren und den Planeten wie eine Klimaanlage kühlen.

Eine der Hauptursachen für die Abholzung des Regenwaldes ist der hohe Fleischkonsum.

Für die Produktion von Kraftfutter, das in erster Linie in Massentierhaltungen an Rinder, Schweine und Co. verfüttert wird, wird in großem Maße Soja auf riesigen Plantagen angebaut. Soja enthält viel Eiweiß und Energie – auf etwa 23 Millionen Hektar, das ist ungefähr so groß wie ganz Großbritannien, wird Soja als Futtermittel in Südamerika angebaut. Auch für Deutschland. Ungefähr 80 % des in deutschen Massentierhaltungsbetrieben verfütterten Soja-Kraftfutters kommen aus Südamerika (am Rande sei erwähnt, dass nur ca. 2 % für Produkte wie Sojamilch, Tofu usw. verwendet werden, und dieses Soja stammt meist aus Europa). Wald wird also gerodet, um Plantagen Platz zu machen. Menschen und Tiere, die hier Zuhause sind, müssen weichen und werden mit brutalsten Methoden vertrieben. Auch für Rinderfarmen wird der Regenwald abgeholzt, da das Land relativ „billig“ ist. Die Rinderzucht wiederum, und Brasilien zählt mit 180 Millionen Rindern pro Jahr hierbei als weltweit größter Exporteur von Rindfleisch, trägt mit ca. 20 % zum weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen bei und ist somit mitverantwortlich für den Klimawandel.

Palmölgewinnung zerstört Leben

In Indonesien werden zahlreiche gezielte Rodungen der Wälder vorgenommen, um Platz für den Anbau von Ölpalmen zur Gewinnung von Palmöl zu schaffen. Anwohner werden enteignet oder vom Land vertrieben. Das gezielte Abbrennen der Flächen führt zu klimaschädlichen Gasen.

Denn normalerweise werden CO2 und Wasser vom torfigen Boden gespeichert und verhindert Dürre und eben den CO2 Ausstoß. Palmöl – dies findet Verwendung in allen möglichen Produkten. Jedes zweite Supermarktprodukt enthält Palmöl, z.B. Nuss Nougat Cremes, diverse Tütensuppen, Cremes, Waschmittel, Lippenstift und Kekse und natürlich Biosprit. Palmöl ist derzeit das billigste Fett auf dem gesamten Weltmarkt. Die Gewinnung des Palmöls verdrängt aber zum Beispiel den vom Aussterben bedrohten Orang Utan, dessen Lebensraum die Wälder Indonesiens sind. Auch der Sumatra-Tiger, der Borneo-Zwergelefant, der Malaienbär und der Nasenaffe sind bedroht.

Durch den Klimawandel wird es überall immer heißer

Der kontinuierliche Temperaturanstieg auf unserer Erde führt zu immer mehr Wetterkapriolen. Stürme, Hurrikans, mehr Waldbrände durch enorme Trockenheit, Überschwemmungen – alles hat im Laufe der letzten Jahre zugenommen. Die Weltmeere werden wärmer – eine völlig unterschätzte Gefahr. Sie waren 2019 so warm wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Es droht eine Sauerstoffarmut in den Meeren. Die Meere könnten sich, wenn auch langsam, erholen, wenn die enorme Menge an Treibhausgasen und CO2, die der Mensch durch sein Verhalten und seinen Konsum produziert, zurückgehen würde.

30 % der weltweit verfügbaren Landfläche, die vorher der Lebensraum für eine Vielzahl an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten waren, werden für die Landwirtschaft genutzt. Jährlich verschwinden auf diese Weise weltweit rund 13 Millionen Hektar Wald.

Sie entscheiden! Tierschutz ist Klimaschutz.

Also hängt doch alles miteinander zusammen. Klimaschutz und Tierschutz sind untrennbar miteinander verbunden. Wer sich demnach im Tierschutz engagiert und sich beispielsweise gegen Fleisch ausspricht oder zumindest weniger davon konsumiert, tut etwas für den Klimaschutz. Wer bewusst beim Einkauf auf den Verzicht von Palmöl achtet (bitte lesen Sie sich immer die Inhaltsstoffe und Zutatenlisten bei Lebensmitteln und Kosmetika durch), tut etwas für den Klimaschutz. Wer Tiere mit Würde behandelt und ihnen den nötigen Respekt entgegenbringt, wird spüren, dass genau diese Empathie auch zu einem zurückkommt. Alles Leben ist miteinander verknüpft.

Die fünf weltweit größten Fleisch- und Molkereikonzerne sind zusammen für mehr Treibhausgas-Emissionen verantwortlich als die drei weltweit größten Ölkonzerne.

Wo ist die Wertschätzung von Lebensmitteln geblieben?

Eine allgemeine Wertschätzung von Lebensmitteln sollte wiederbelebt werden, vor allem wenn es um tierische Produkte geht. Schließlich lässt ein Tier sein Leben, damit ein Mensch Fleisch essen kann. Mit „Geiz ist geil“ kommen wir nicht weiter wie auch die aktuellen politischen Diskussionen rund um den Konflikt Landwirtschaft und Preispolitik der Supermarktketten zeigen. Auch der Bauer, der sein Geld mit seinem Betrieb verdient, muss bedacht werden. Denn wie soll er all die geforderten Umwelt- und Tierwohlauflagen erfüllen und gleichzeitig „Billig-Angebote“ parat haben, während die Verdienstmarge immer kleiner wird? Der Verbraucher muss auch bereit sein, mehr Geld für Qualität, Tierwohl und Regionalität auf den Tisch zu legen. Und wir sprechen nicht von gigantischen Summen. Seien Sie mal ehrlich – wenn Sie in der Radiowerbung zum Beispiel den Aufruf hören: „Heute im Angebot: Vier Schweinenackensteaks für nur 3,37 Euro!“, dann müssten doch alle Alarmglocken schrillen. Das kann so nicht gut sein. Alles in unserer heutigen Gesellschaft muss immer schneller und billiger werden und permanent zur Verfügung stehen. Dass da an Tierwohl nicht zu denken ist, liegt auf der Hand.

Das fängt bei der Aufzucht in der Massentierhaltung an und hört erst kurz vor dem Tod des Tieres im Schlachthof auf, wo viele Tiere sich elendig auf ihrem letzten Weg quälen. Erst 2019 gingen hier viele erschütternde Meldungen durch die Presse …

Auf Kosten der Tiere …

Immer wieder gelingt es Tierschützern, schockierende Bilder und auch Videomaterial an die Öffentlichkeit zu bringen, die die schrecklichen Zustände in deutschen Schlachthöfen schonungslos dokumentieren. Zwei besonders schwere Fälle sorgten im letzten Jahr für großes Aufsehen. In einem der größten deutschen Rinderschlachthöfe in Niedersachsen hatten Aktivisten versteckte Kameras installiert und über 600 Stunden Videomaterial erstellt und ausgewertet. Die dokumentierten Missstände waren so umfangreich und weitgehend, dass der Schlachthof seinen Betrieb einstellen musste. Rinder waren offensichtlich bei vollem Bewusstsein geschlachtet worden. Außerdem wurden die Tiere mit Elektroschockern unnötig gequält. Auch verletzte Tiere wurden damit angetrieben. Am schlimmsten jedoch war die Erkenntnis, dass auch Mitarbeiter der Veterinärbehörde (mutmaßlich Tierärzte) sich an den Misshandlungen beteiligten. Hiermit verletzten sie nicht nur ihre Aufsichtspflicht im Schlachthof, welche ihrer eigentlichen Funktion zugeordnet ist, sondern machten sich eindeutig auch strafbar. Obwohl der Schlachthof wegen diverser Verstöße den Behörden seit Jahren bekannt war, erfolgte die Schließung erst nach den Veröffentlichungen der Tierschützer sowie mehreren Strafanzeigen gegen Betreiber, Mitarbeiter und auch das Veterinäramt.

Momentan werden in Deutschland pro Person etwa 60 Kilo Fleisch im Jahr verzehrt. Probieren Sie doch einmal pflanzliche Alternativen, und tun Sie dem Klima und Ihrer eigenen Gesundheit einen großen Gefallen. Mit dem Blitzrechner können Sie persönlich ermitteln, was für Auswirkungen Ihr Kaufverhalten bei Fleisch hat: www.blitzrechner.de/fleisch

Doch – Sie als Konsument haben die Macht an der Kasse. Sie entscheiden, welche Produkte verkauft werden. Und stellen Sie sich einmal vor, Sie sind mit diesem Gedanken nicht alleine. Sehr viele Verbraucher in Deutschland haben bereits mit einem bewussteren Konsumverhalten viel verändert. Schränken Sie den Konsum von tierischen Erzeugnissen zumindest ein, denn Fleisch, Milch und Eier sind mit die größten Klimakiller. Natürlich, im Bundesland Bayern steht Fleisch hoch im Kurs. Achten Sie dann aber bitte auf die Regionalität und Qualität. Es muss ja nicht jeden Tag Fleisch auf den Tisch. Der klassische Sonntagsbraten ist ein gutes Mengenmaß. Dann kann man auch genießen und etwas mehr für seinen Fleischkonsum bezahlen.


Ein Kommentar von Dr. Evelyne Menges, Stadträtin München, Präsidentin Tierrettung München e.V.

Der Münchener Stadtrat hat Ende 2019 den „Klimanotstand“ für die Stadt München ausgerufen. Erstaunlich, wenn zeitgleich fast ein ganzer Kontinent brennt und man in München doch nur ein kleines Fleckchen auf der Weltkugel ist. Für die Tiere, Wildtiere wie auch sogenannte Nutztiere, hingegen, wird kein Notstand ausgerufen. Und das, obwohl wir Menschen ihnen vor Ort und gezielt helfen könnten und auch helfen müssten, angesichts der unerträglichen Haltungszustände in deutschen Ställen, nicht nur in der Massentierhaltung. Der Stadtrat hat zwar freiwillig bei den Schlachtungen die Anzahl der Amtstierärzte von den gesetzlich vorgeschriebenen 2 auf 4 erhöht. Das aber ist immer noch zu wenig für eine engmaschige Kontrolle. Man müsste prüfen, ob es nicht möglich ist, tierschutzgeschultes Fachpersonal an die Seite der Aufsichtsführenden Amtstierärzte zu stellen. Es wird Zeit für eine Änderung. Für eine Hoffnung für die Tiere.

 

Alexandra Pfitzmann
Redaktion Tierpost