Schimmelpilzvergiftung – Wenn es den Hund erwischt
Auch die eigenen Hunde kann es erwischen. Ich verbrachte einen schönen Morgen mit meiner Hündin Nela im Stall, wo sie allerlei Sachen fraß. Giftköder sind keine ausgelegt, da die Stallbetreiberin selbst mehrere Hunde und Katzen hat. Daher machte ich mir zunächst keine großen Gedanken.
Drei Stunden später begann der Durchfall, dann folgte ein zweimaliges Erbrechen auf dem Nachhauseweg. „Gut“, dachte ich, „jetzt ist es immerhin raus“. Auf dem Weg in den 4. Stock begann meine Nela plötzlich zu schwanken, knallte gegen die Wand und fiel fast um. „Oh je, was ist denn jetzt los?“ Schnell trug ich sie ganz nach oben, um die Vitalparameter zu prüfen. Nela legte sich sofort hin, sehr untypisch für sie. Die Schleimhäute waren weiß, der Puls war schwach und schnell, Bauch angespannt. „Hier stimmt etwas gar nicht, ich glaube ich fahre zur Sicherheit in eine Tierklinik“, beschloss ich.
Nela wich in allen Parametern von ihrer Norm ab, weshalb ich mich für einen Klinikbesuch entschied. Auf dem Weg bot ich ihr ein Stück Brezel an, was sie als Labrador Retriever verweigerte und mich in noch höhere Alarmbereitschaft versetzte. In der Klinik angekommen, verschlechterte sich ihr Zustand weiter. Nela war kaum mehr steh- und gehfähig. Es wurde sofort eine klinische Untersuchung durchgeführt (stark erhöhte Herzfrequenz, schwacher Puls, weiße Schleimhäute und vergrößerte Pupillen). Außerdem wurde ein Zugang in die Vene gelegt, und sie bekam zur Stabilisierung des Kreislaufs Infusionen. Trotz aller Bemühungen besserten sich die Vitalparameter und das Allgemeinbefinden nicht. Ein Röntgenbild des Bauchraums zeigte einen hochgradig gefüllten Magen (zum Glück nicht mit Luft, was auf eine Magendrehung hindeuten würde, was eine notwendige Operation nach sich ziehen würde). Aufgrund des Vorberichtes und der klinischen Symptome gingen wir von einer Vergiftung aus, vermutlich durch die Aufnahme verdorbener oder verschimmelter Substanzen.
Bei einer Lebensmittelvergiftung können der Mikroorganismus oder auch Schimmelpilze Toxine produzieren, welche dann die klinischen Symptome auslösen.
Häufiger betroffene Lebensmittel sind zum Beispiel Eier, rohes Fleisch, Fisch, Konserven und Milchprodukte. Schimmelpilztoxine finden sich z.B. in Walnüssen, Silage, Schimmelkäse, etc. Im Vergleich zum Menschen sind bei unseren Tieren häufig schon geringere Mengen toxisch. Es kann zu einer Beeinträchtigung der Magen-Darm-Funktion, einem Endotoxin-Schock, einer Leber- oder Nierenschädigung, einer Stimulation des Brechzentrums, einer Erregung zentraler Neuronen oder einer Blockierung der neuromuskulären Übertragung kommen.
Damit sich die Toxine nicht weiter in Nelas Körper ausbreiten konnten und eine weitere Verschlechterung ihres Zustandes hervorrufen, wurde entschieden, dass eine Magenspülung in Narkose durchgeführt wird. Glücklicherweise durfte sie am Nachmittag unter guter Beobachtung und Kontrolle wieder mit nach Hause. Am nächsten Tag stand nochmal eine Blutkontrolle an. Die meisten Werte hatten sich glücklicherweise wieder stabilisiert.
Solche Vorfälle kommen leider immer wieder vor...
Ein paar Wochen später rief mich eine Patientenbesitzerin an und erläuterte, dass ihr Hund in der Nacht den Mülleimer geplündert habe. In diesem befanden sich Reste einer Gorgonzolasoße mit Walnüssen. Wir entschieden dann zusammen, den Hund medikamentös erbrechen lassen, um das Risiko einer möglichen Schimmelpilzvergiftung zu reduzieren. Zum Glück kam der Großteil des geklauten Essens wieder raus. Zur Sicherheit sollte die Besitzerin noch Aktivkohle verabreichen, welche die schon aufgenommenen Toxine binden soll. In diesem Fall konnte eine Vergiftung zum Glück verhindert werden.
Falls Sie die ungewollte Aufnahme einer dieser Substanzen bei Ihrem Hund beobachtet haben, wenden Sie sich an einen Tierarzt.
In den ersten Stunden nach der Aufnahme ist es oft die einfachste Lösung, ein Erbrechen auszulösen. Hierfür muss sich das Tier aber noch bei vollem Bewusstsein befinden. Spätestens, wenn Ihr Tier Symptome einer Vergiftung, ein reduziertes Allgemeinbefinden oder starke Abweichungen von den Vitalparametern zeigt, sollte sofort ein Tierarzt verständigt oder aufgesucht und eine entsprechende symptomatische Therapie begonnen werden. Eine Analyse des Erbrochenen oder der aufgenommenen Substanzen ist ebenfalls möglich, um das genaue Toxin zu identifizieren. Das Problem dabei ist, dass diese Identifizierung leider einige Wochen dauert und der akuten notfallmedizinischen Diagnostik und Therapie in diesem Moment nicht weiterhilft.
Abschließend lässt sich aber sagen: „Die Dosis macht das Gift“, bedeutet, dass nicht jede kleinste Aufnahme einer ungewollten Substanz auch zu einer Vergiftung führen muss.
Mein geliebter Labrador hat gefühlt jeden Tag beim Spazieren gehen irgendwo irgendetwas erwischt, und es ging sechs Jahre lang gut. Diesmal hatte sie leider etwas erwischt, was wirklich giftig oder verdorben war. Hier gibt es nur zu sagen, „Sie kennen Ihr Tier am besten und wenn etwas nicht stimmt, stellen Sie es lieber einmal zu viel als einmal zu wenig bei Ihrem Tierarzt vor“.
Anhand der Vitalparameter (Schleimhautfarbe, Kapilläre Füllungszeit (KFZ), Pulsfrequenz und Pulsintensität) lässt sich der Herz-Kreislaufzustand beurteilen. Normalerweise sollte die Schleimhautfarbe blassrosa bis rosa sein, die KFZ (beim Drücken auf das Zahnfleisch entfärbt es sich weiß. Beurteilt wird die Zeit bis es wieder rosa wird) ca. 1-2 Sekunden, der Puls kräftig und regelmäßig, in einer Frequenz der Tiergröße und Tierart angepasst (Katze > 140/min, kleiner Hund ca. 100-120/min, großer Hund ca. 60-100/min). Auch das Allgemeinbefinden spielt eine große Rolle und wird mit beurteilt (aufmerksam und ansprechbar sollte das Tier sein, wobei jeder Tierbesitzer seinen Hund am besten kennt).