Weite Reise: Kater auf Tour
Mit geschwächten Augen blickte mich der Kater an. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was er durchgemacht hatte.
Von Daniel Prengel. In den Morgenstunden an einem Maiwochenende rief mich eine besorgte Familie an. Vor der Tür saß eine Katze, die laut miaute. Vor Ort angekommen machte ich mir zunächst ein Bild vom Allgemeinzustand des Katers. Er schwankte stark und war stark ausgetrocknet. Der venöse Zugang, den ich anschließend legte, gelang ohne Gegenwehr, was bei Katzen sehr ungewöhnlich ist. Auf dem Weg in die Medizinische Kleintierklinik der LMU erhielt der Kater eine Kochsalzinfusion, um den Kreislauf zu stabilisieren. In der Tierklinik wurde sofort Blut genommen und festgestellt, dass die Blutwerte nicht gut sind. Im Bauchraum konnte eine Umfangsvermehrung gespürt werden.
Vor Ort hatte ich bereits überprüft, ob ein Chip implantiert ist oder ob ein Tattoo im Ohr zu erkennen ist. Letzteres war der Fall. Das Tattoo war allerdings schlecht lesbar und erst in der Klinik nach Ausscheren und Reinigen des Ohrs konnten wir, die Klinikmitarbeiter und ich, es besser lesen. Über das Tierregister Tasso machten wir die Eigentümerin der Katze ausfindig. So erfuhr ich, dass der Kater 15 Jahre alt ist und seit Ende Februar 2010 vermisst wurde. Er hatte eine sehr weite Strecke von 20 km zurückgelegt.
Weil der Körper, wie oben beschrieben, stark ausgezehrt war und auch die weiterführende klinische Untersuchung schlechte Ergebnisse lieferte, war die Prognose zum Zeitpunkt der Einlieferung in die Klinik sehr schlecht. Am nächsten Tag rief ich in der Klinik an und erkundigte mich nach dem Patienten. Mir wurde mitgeteilt, dass die Besitzerin sich zu einem Behandlungsversuch entschlossen hatte, natürlich in dem Bewusstsein, dass es eher schlecht um ihren geliebten Kater stand. Aber diese Chance wollte sie dem treuen Weggefährten geben.