Über den Hund Moses
Am 7. April kurz nach Dienstbeginn in der Früh erreichte mich ein Notruf aus Pasing: Ein Hund würde seit mehreren Stunden krampfen, und die Besitzerin bräuchte dringend Hilfe. Sofort fuhr ich mit meiner Kollegin los.
Unterwegs habe ich die Anfahrtszeit dazu genutzt, die Besitzerin darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist bei länger andauernden Anfällen wie diesem (es war eigentlich ein sogenannter Status Epilepticus, d.h. ein nicht enden wollender Anfall, was immer ein absoluter Notfall ist und so schnell wie möglich unterbrochen werden sollte), die Temperatur der Patienten zu kontrollieren und ggf. zu senken. Aufgrund heftiger Muskelarbeit wird nämlich beim Krampfen viel Wärme produziert, die das Tier nicht so schnell loswerden kann und die daraus resultierende Temperaturerhöhung (eine Hyperthermie) kann weitere lebensbedrohlich bis tödliche Komplikationen mit sich bringen. Unterwegs haben wir außerdem die Vorgeschichte etwas genauer erfragt. Moses, so hieß der ältere Rüde, hatte vor paar Tagen bereits einen kurzen Anfall und hätte an diesem Tag bei der Haustierärztin einen Termin am Nachmittag haben sollen. Doch dazu kam er nicht mehr. Die Besitzerin hatte in ihrer Jugend schon mal einen Hund, der Epileptiker war, und so konnte sie den ersten Anfall richtig einordnen. Allerdings, als der nächste Anfall nicht aufhören wollte, hat sie leider erst recht spät realisiert, dass sie in diesem Fall dringend tierärztliche Hilfe benötigt.
Als wir in der Wohnung angekommen waren, ging es zuerst um die Unterbrechung des Anfalls und die Stabilisierung des Patienten. Er lag bewusstlos in Seitenlage und zeigte heftige Krämpfe mit den Gliedmaßen. Seine Atmung war unregelmäßig. Die Besitzerin und ihre Bekannte konnten seine Temperatur nicht kontrollieren, und sie haben den Hund auch nicht gekühlt, weil er auf dem kühlen Boden des Balkons lag. Die rektale Temperatur war zum Glück nicht so hoch wie ich es befürchtet hatte.
Moses blieb weiterhin bewusstlos
Ich legte einen Venenzugang, und während meine Kollegin die Medikamente in die Spritze aufzog, nahm ich gleichzeitig Blutproben für die weitere Abklärung in der Klinik. Nach der intravenösen Injektion waren die Krämpfe wie weggeblasen, Moses blieb aber weiterhin bewusstlos. Die spontane Atmung wurde regelmäßig, und die Atemwege blieben frei. So haben wir mit der laufenden Infusion die Temperatur und den Kreislauf noch weiter stabilisieren können und den bevorstehenden Transport vorbereitet.
Danach ging alles ganz schnell, dem Wunsch der Besitzerin entsprechend, in die nächste Tierklinik. Unterwegs blieb meine Kollegin beim Patienten, um ihn zu überwachen (die Besitzerin fuhr mit ihrem eigenen PKW hinter uns her), damit wir, falls nötig, rechtzeitig eingreifen können. Auf dem Weg in die Klinik haben wir die Kollegen dort schon vorgewarnt, dass ein schwerer Notfall in Kürze eintreffen wird, damit sie sich schon einmal vorbereiten konnten, und den Fall stichwortartig geschildert. Kurz darauf haben wir unseren Patienten dort den weiter behandelnden Tierärzten übergeben. Ein paar Tage später habe ich aus einer E-Mail jedoch leider erfahren, dass Moses in der Klinik gestorben ist.
Die bei älteren Tieren zum ersten Mal auftretenden Krampfanfälle können vielfältige Ursache haben. Wogegen bei der weit verbreiteten und gut behandelbaren idiopathischen Epilepsie die ersten Anfälle meist schon in jungen Jahren vorkommen. In beiden Fällen ist es immer wichtig, eine Überhitzung zu verhindern, möglichst schnell den Anfall zu beenden und eine zeitnahe Abklärung durch weiterführende Untersuchungen durchzuführen.