Sprung aus dem dritten Stock: Rettung der spanischen Hündin Neela
Mitte August erreichte mich ein Anruf, dass soeben ein Hund vom Balkon gefallen sei – wohlgemerkt aus dem dritten Stock!
Von Mathias D. Beyer. Unverzüglich machte ich mich auf den Weg zum Patienten. Während der Fahrt erkundigte ich mich weiter über den Gesamtzustand des Hundes. Laut seines Besitzers ginge es "Neela" relativ gut, nur ihre beiden Vordergliedmaßen sähen nicht mehr so aus wie vorher. Nach ca. 25 Minuten war die Tierrettung vor Ort und in der Tat: Beide Vordergliedmaßen standen im 90° Winkel nach vorne, bzw. zur Seite. Überraschenderweise zeigte sich "Neela" von der Situation eher unbeeindruckt. Sie lag in den Armen ihrer Besitzerin und registrierte alles um sich herum mit einer bemerkenswerten Gelassenheit. Auch ihre Vitalparameter waren in der Norm, ihre Herz- und Atemfrequenz war unauffällig, ihre Körpertemperatur normal und auch die Auskultation (das Abhören mit dem Stethoskop) der Lunge ergab zunächst keinen Hinweis auf eine Lungenkontusion. Eigentlich hätte man vermuten können, dass sie den sonnigen Tag schlicht mit ihrem Frauchen im Grünen genießen wollte.
Um die Patientin für den Transport zu stabilisieren, legte ich der 20 kg schweren Hündin einen Venenzugang an der Hintergliedmaßen, wo ich jedoch feststellen musste, dass sich die Gefäße für einen Hund dieser Größe doch als sehr filigran herausstellten - das ist ein Anzeichen für einen Schock. So wurde "Neela" nach dem Legen des Zugangs zunächst ein hochpotentes Schmerzmittel und eine stabilisierende Infusion verabreicht. All das unter tatkräftiger Mithilfe ihres Frauchens - ihres Zeichens ehrenamtliche Rettungssanitäterin. Im weiteren Verlauf wurde die Hündin, welche erst am Vortag aus einer spanischen Tötungsstation gerettet worden war, in die Chirurgische und Gynäkologische Kleintierklinik der LMU gebracht, wo weitere diagnostische Maßnahmen erfolgten.
Wie sich dort herausstellte, hatte sich der Patient beide Unterarme gebrochen - sowohl Elle als auch Speiche - was die abstrakte Haltung der beiden Gliedmaßen erklärte. Eine Lungenquetschung, bzw. Lungenblutung konnte zu diesem Zeitpunkt radiologisch ausgeschlossen werden. Noch am selben Abend wurde "Neela" operiert und beide Brüche mit jeweils einer Platte wieder geradegestellt und im Anschluss ein beidseitiger Castverband angelegt.
Einer kompletten Heilung steht nichts entgegen ...!
Als ich am nächsten Tag "Neela" einen Krankenbesuch abstattete, stand sie bereits wieder schwanzwedelnd in ihrer Box. Die OP war gut verlaufen und mit der nötigen Geduld spricht der kompletten Heilung nichts entgegen, da die Gelenke bei dem Sturz glücklicherweise nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. Weshalb "Neela" die ungewöhnliche Abkürzung in den Garten nehmen wollte, ließ sich nicht feststellen. Fakt ist jedoch, dass derartige Verletzungen vor allem bei Agilityhunden jüngeren Alters vorkommen, welche eine Wand als zu überspringendes Hindernis beurteilen, und sie sich dann mit einem Satz über das Hindernis hinweg machen. Leider ist es für die meisten Hunde nicht ersichtlich - so auch bei "Neela" - da sie erst frisch eingereist war, was sich auf der anderen Seite vom Hindernis befindet. Allerdings wird die kleine Spanierin sicherlich kein Agilityprogramm in der Tötungsstation absolviert haben, so bleibt eher die Vermutung, dass sie auf Grund eines Reizes, bspw. eines vorbeifliegenden Vogels, ihre neu gewonnene Freiheit etwas überstrapazierte.