Schwaneneinsatz an der Leopoldstraße
Am trüben und kalten Morgen des fünften Februar gingen bei uns gegen 9 Uhr gleich mehrere Anrufe zu einem Notfall ein. An der Leopoldstraße Ecke Parzivalplatz lag ein stark blutender Schwan.
Die Polizeibeamten und die Feuerwehrleute, die schon vor Ort waren, konnten nicht einschätzen, ob der Schwan noch gerettet werden konnte, denn er schien sehr stark verletzt zu sein, weshalb sie unseren tierärztlichen Notruf wählten.
Bei meiner Ankunft saß der imposante Vogel apathisch und blutverschmiert im Schnee am Rand der fünfspurigen Straße, umringt von Polizisten und Feuerwehrleuten. Als ich näher kam, blieb er sitzen und wehrte sich nicht. Er war benommen und ließ sich von mir anfassen, so dass ich Herz und Lunge gut abhören konnte. Nachdem ich die Polizisten angeleitet habe, wurde der große Vogel durch einen Polizisten und einen Feuerwehrmann gehalten, während ich gründlich alle Gliedmaßen und den gesamten Körper nach möglichen Brüchen abtastete und im dichten Gefieder nach Wunden absuchte, vor allem an Hals und Brust, wo der Schwan stark mit Blut verschmiert war. Der Patient wehrte sich dabei kaum, er war sehr geschwächt, unterkühlt und im Schock. Bei der Untersuchung des Schnabels zeigte das Tier jedoch Widerstand. Nach dem Öffnen des Schnabels war Blut zu sehen und eine Verletzung des Schnabelhorns am unteren Rand, die schmerzhaft zu sein schien. Andere Wunden waren nicht auffindbar. Das Blut an Brust und Hals stammte also von der Verletzung des gut durchbluteten Innenschnabels. Der Schwan schien, was die äußeren Verletzungen anging, Glück gehabt zu haben.
Diagnose: Schnabelhornverletzung
Der Patient bekam von mir sofort ein Schmerzmittel gespritzt und eine Infusion als Schockbehandlung zur Stabilisierung des Kreislaufs. Da er unterkühlt war, wurde er im Transportkäfig warm zugedeckt und von mir in die Vogelklinik gebracht. Bei der Einlieferung in die Vogelklinik war das Tier schon etwas wehrhafter. Die Diagnose der Schnabelhornverletzung wurde bestätigt. Der Patient wurde in der Vogelklinik geröntgt. Es gab zum Glück keine Verletzungen des Schädels oder des knöchernen Anteils des Schnabels und auch keine anderen inneren Verletzungen. Am nächsten Tag war er noch ruhig, aber schon etwas munterer. Der Schwan wurde nach vollständiger Erholung von der Vogelklinik wieder ausgewildert. Was dem schönen Vogel zugestoßen ist, können wir nicht wissen. Wahrscheinlich ist er gegen ein Hindernis geflogen, vielleicht sogar ein Auto, und hat dabei ein Schädelhirntrauma erlitten, was einer Gehirnerschütterung entspricht. Anflugtraumen kommen bei Vögeln jeder Größe vor. Viele Vögel erholen sich davon spontan innerhalb von 24 Stunden. Das kann durch Ruhe und Wärme von Findern unterstützt werden. Vögel können sich aber auch bei einem Aufprall schwere, sogar lebensgefährliche, innere und äußere Verletzungen zuziehen, vor allem wenn es sich um einen Autounfall handelt. Auch können Schock und Auskühlen zum Tode führen. „Unser“ Schwan hat großes Glück gehabt, dass er Dank der richtigen Reaktion aufmerksamer Passanten, die Polizei zu verständigen, rasch tiermedizinisch versorgt werden konnte.