Kauknochen im Maul verkeilt
Es ruft ein besorgter Tierbesitzer bei uns an. Sein junger Mischlingshund Nero hat ein großes Problem. Ein Beinknochen, den er zu Futtern bekam, bereitet ihm große Schwierigkeiten. Nero hat seinen Unterkiefer durch das Loch des Beinknochens geschoben und nun hat sich der Knochen hinter seinen Eckzähnen im Maul verkeilt.
Der besorgte Besitzer weiß sich nicht zu helfen und bittet die Tierrettung zu Hilfe. Kurz vor 22.00 Uhr bin ich mit unserem Rettungswagen da. In der Wohnung sitzt Nero, ein wundervoller Hund, und kämpft seit über einer Stunde mit dem Knochen in seinem Maul. Die Schleimhaut an seinem Unterkiefer ist bereits gereizt und geschwollen. Nero lässt sich auch kaum anlangen, da ihm der Knochen mit seinen scharfen Kanten Schmerzen bereitet. Nero hat offensichtlich keine Chance, diesen Knochen rauszubekommen. Herrchen ist verzweifelt. Muss sein Nero jetzt in die Klinik und der Knochen chirurgisch entfernt werden? Ich überdenke die Alternativen und entschließe mich, es Vorort zu versuchen. Dies ist, wenn es möglich ist, sowohl für Herrchen als auch für Hund doch angenehmer, aber nur wenn es medizinisch möglich ist. Nero bekommt also zunächst eine Beruhigungsspritze und ein Schmerzmittel, welches die Schwellung mindert. Wir warten ... Nach zehn Minuten wirkt die Beruhigung und ich versuche den Knochen über den Unterkiefer zu schieben. Es ist sehr schwierig und auch für mich nicht ungefährlich. Die wertvolle Aufgabe eines Tierarztes, noch dazu in der Notfallmedizin, bringt viele Berufsunfälle mit sich. Der Knochen ist so ungünstig verkeilt, dass es nicht möglich ist, ihn zu entfernen. Zusätzlich hat Nero immer noch Schmerzen. Nach weiteren fünf Minuten versuche ich es noch mal. Nur nicht aufgeben! Schließlich gelingt es, nach geraumer Zeit mit viel Geduld den Knochen - allerdings unter Nero’s Protest - zu entfernen. Sichtlich erlöst, entspannt sich Nero sofort auf dem Couchplatz seines Herrchens. Und Herrchen ist ebenfalls ein Stein vom Herzen gefallen und auch er lässt sich erschöpft in seinen Sessel fallen. Vom Beruhigungsmittel noch benommen schläft Nero schon ein, als ich noch das Protokoll schreibe. Alle können sich über das Schnarchen amüsieren und Nero und seinem Besitzer ist ein Ausflug in die Klinik erspart geblieben. Allerdings nutze ich diese Chance für ein himmlisches Foto für unsere Tierrettung...
Von Sebastian Haag, Tierarzt