Idyillische Bedingungen - Urbane Greifvögel
Größere Greifvögel erwartet man eigentlich nur auf dem Land. Eine Anruferin meldete sich Anfang Mai bei mir und teilte mit, dass ein Greifvogel, eventuell ein „Roter Milan“ von Krähen attackiert wird und „gar nicht gut aussieht“.
Von Daniel Prengel. Ich machte mich auf den Weg und fand zunächst kein Tier vor, sondern nur ein unberührtes Areal mitten in der Stadt mit Unterholz, idyllisch für eine Vielzahl von Wildtieren. Die Dame berichtete, der Vogel saß soeben noch auf dem Ast. Ein Problem, mit dem wir häufig konfrontiert sind. Wir sind vor Ort und die Tiere sind nicht da. Deshalb bitten wir alle Anrufer beim Tier zu bleiben oder es in Absprache mit uns einzufangen, natürlich nicht bei gefährlichen Tieren wie zum Beispiel einem Greifvogel.
Nach längerem Suchen fanden wir das Tier dann doch noch. Es saß auf einem Zaun zu einem angrenzenden Kindergarten. Eine Inspektion aus der Ferne deutete nicht auf schwere Verletzungen hin. Blut war nicht sichtbar, auch die Flügel und Ständer (Füße) schienen intakt zu sein. Ich erklärte der Anruferin vor Ort, dass es keinen Grund gäbe, dieses Tier einzufangen, da es hier sehr gute Lebensbedingungen habe und die Krähen wahrscheinlich nur ihr Nest verteidigt haben, um die Brut zu schützen, die natürlich auf dem Speiseplan eines Greifvogels steht. Leider fühlte sich der Bussard von unserer Anwesenheit so gestört, dass er einen Satz in den benachbarten Kindergarten machte. Dort hatte er selbstverständlich keine schönen Bedingungen mehr. Das Lärmen und die schnellen Bewegungen der dort oft spielenden Kinder hätten das arme Tier stark gestresst und eventuell sogar die Kinder gefährdet. Ich betrat den Kindergarten und wurde fündig. Eingeschüchtert saß der Bussard an einer Mauer und sah nicht begeistert aus, als ich mich ihm näherte. Er flatterte ständig davon und ich wollte schon aufgeben. Plötzlich ergab sich eine gute Gelegenheit. In der Ecke von zwei aufeinandertreffenden Mauern war er nun eingeengt. Ich näherte mich vorsichtig mit Kescher und Tuch. Mit dem Kescher fixierte ich das Tier und mit dem Tuch deckte ich den Kopf ab, um den Greifvogel zu beruhigen. Die Gelegenheit nutzte ich noch einmal für eine genauere Untersuchung. Außer der Panik in den Augen des Tieres konnte ich nichts feststellen. Ich hob den Bussard hoch und ließ ihn wieder in die ursprüngliche Heimat flattern. Auf einem Ast sitzend schüttelte er und putzte sich und man konnte ihm deutlich ansehen, dass er sich jetzt wieder wohlfühlte.
Dieses Beispiel zeigt wieder einmal, dass Wildtiere wirklich nur im äußersten Notfall die Hilfe des Menschen benötigen. Einfangen und Untersuchen können ein Wildtier, vor allem Vögel, derartig stressen, dass dies zum Tode führt. Bitte vergewissern Sie sich vor Einfangen eines Wildtieres, ob die Tiere wirklich unserer Hilfe bedürfen. Hilfsbedürftig sind zum Beispiel Tiere, denen Sie sich ohne Probleme bis auf Griffweite nähern können, ohne dass es davonläuft bzw. davon flattert. Vögel mit verletzten Füßen, deren Flugfähigkeit allerdings erhalten ist, sind nicht einfangbar, es sei denn, ihr Allgemeinbefinden ist schon stark angegriffen.
Bei einem Wildtierfund können Sie uns natürlich immer kontaktieren, um Rat einzuholen. Wo Hilfe angebracht ist, sind wir immer zur Stelle und helfen den Tieren. Vertrauen Sie auf unseren fachmännischen Rat. Wenn wir einmal nicht weiterwissen, können wir Ihnen auch andere Ansprechpartner nennen.