Ganja – der große Sprung ins Unbekannte
An einem Dienstag im April passierte in München etwas ganz Unglaubliches: Der 7 jährige Boxer- Dogge-Dalmatiner-Mischling „Ganja“ wollte mit einem Freund des Besitzers noch einen schönen Nachmittagsspaziergang machen.
Von Alina Windisch und Dr. med. vet. Gabor Horvath. Voller Freude und mit viel Energie sprang er über eine kleine Mauer! Was der fröhliche Rüde in diesem Moment jedoch nicht jedoch nicht sehen konnte war ... dass es auf der anderen Seite der Mauer etwa 7 Meter in die Tiefe geht! Es war der Sprung ins Ungewisse!
Doch – Glück im großen Unglück – „Ganja“ lebte noch nach diesem schweren Sturz. Er litt jedoch unter starken Schmerzen und konnte natürlich nicht mehr selbstständig laufen. Der Gassigeher trug den ca. 30 kg schweren Hund zu seinem Besitzer zurück und alarmierte mit ihm zusammen die Tierrettung München.
Der diensthabende Tierarzt der aktion tier-tierrettung münchen e.V., Dr. med. vet. (Univ. Budapest) Gabor Horvath, fuhr sofort mit seiner Assistentin Alina Windisch los und fand den Patienten in Brustlage und leichtem Schockzustand in einem Frisörsalon in der Innenstadt vor. Nach einer kurzen Untersuchung, die Rüde Ganja sehr tapfer über sich ergehen ließ, bestand der Verdacht, dass mindestens eines der Vorderbeine gebrochen oder luxiert ist. Der Veterinär entschied dann, das Tier für eine genauere Untersuchung in die Chirurgische Tierklinik der LMU zu bringen. Er verabreichte dem Patienten ein Schmerzmittel, elektrolythaltige Flüssigkeit über einen Venenkatheter, um den Kreislauf anzuregen und den Hund transportfähig zu machen. Anschließend ging es unter Sauerstoffgabe sofort mit dem Einsatzfahrzeug der Tierrettung in die CTK.
Nach weiteren Untersuchungen, Röntgenbildern und Ultraschall stand schnell fest, dass „Ganja“ sich bei dem Sturz schwere Verletzungen an beiden Vordergliedmaßen zugezogen hat, die Karpalgelenke beider Vorderbeine waren luxiert. Es sah so aus, als müssten beide Beine operativ künstlich versteift werden (Arthrodese).
Die Operation wurde jedoch noch verschoben, da zusätzlich ein Pneumothorax festgestellt wurde (Luft dringt zwischen Zwerchfell und Lunge, sodass der Unterdruck, der die passive Ausdehnung der Lunge beim Einatmen bewirkt, verloren geht, was lebensgefährlich sein kann und ein zusätzliches Risiko für die Narkose darstellt). Nach vier Tagen hatte sich der Pneumothorax dann soweit zurückgebildet, dass die Thoraxdrainage (der Schlauch, wodurch die überflüssige Luft regelmäßig abgesaugt wurde), gezogen werde konnte. Nun war Ganja endlich stabil genug für die Narkose. Der Chirurg der CTK erklärte uns nach der Operation, dass der Hund wohl großes Glück im Unglück hatte. Anscheinend war er mit gebeugten Vorderläufen gelandet, denn die Beugestrukturen waren weitgehend intakt. Das Karpalgelenk, die Gelenkkapsel und Streckstrukturen (M. extensor carpi radialis) wurden genäht und gestrafft. Anschließend hatte „Ganja“ weitere 6 Wochen noch beide Beine in Gips, und ein Versteifen wird danach hoffentlich nicht mehr nötig sein.
Einen Tag nach dem chirurgischen Eingriff trafen wir „Ganja“ schon wieder lebensfroh und voller Energie an. Am liebsten wäre sie mit ihren Gipsbeinen schon wieder aus der Intensivstation hinausgehüpft. Wie dieser „Fall“ zeigt, kann man beim Gassigehen gar nicht vorsichtig genug sein, denn man weiß ja nie, was auf der anderen Seite, hinter der nächsten Ecke oder hinter der Mauer lauert...