Ein akuter Notfall: Aortenthrombose bei einer Katze
Es ist Montagabend kurz vor 19 Uhr. Ein Notruf erreicht die Einsatzstelle der Tierrettung München: Der Anrufer ist von der Arbeit nach Hause gekommen und hat sein Haustier, eine vierjährige Wohnungskatze, auf dem Boden liegend gefunden. Von einem Unfall irgendeiner Art weiß er nichts.
Von Daniel Schäffer. Sie schreit vor Schmerzen und kann nicht mehr aufstehen. Glücklicherweise sind wir in der Nähe, so dass wir sehr schnell am Einsatzort eintreffen. Bereits auf der Fahrt kommt uns eine mögliche Diagnose in den Sinn: Aortenthrombose.
Diese entsteht meist als Folge von Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien). Im Rahmen der Kardiomyopathien vergrößern sich oft die Vorhöfe, was dazu führt, dass sich die Strömungsverhältnisse ändern. Es können sich Blutgerinnsel, sogenannte Thromben, im Herzen bilden, die dann über die Hauptschlagader, die Aorta, in den Körper abgeschwemmt werden können. Von der Aorta aus zweigen Gefäße zur Versorgung der Organe und Gewebe ab. Im Bereich des Beckens teilt sich die Aorta zur Versorgung der Hinterbeine auf. Je nachdem, wie groß das Gerinnsel ist und wohin es transportiert wird, können unterschiedliche Bereiche des Körpers betroffen sein. Das Gerinnsel wird in die kleineren Gefäße, z.B. zur Versorgung der Niere oder aber auch des Gehirns transportiert und bleibt dort stecken, sehr häufig auch im Bereich der Aufzweigung, die die Hinterbeine versorgt. Durch diese "Verstopfung" des Gefäßes wird das Gewebe im betroffenen Bereich nicht mehr mit Blut versorgt. Der für jede Zelle lebenswichtige Sauerstoff kann diese Bereiche nicht mehr erreichen, Muskeln und Nerven können ihre Funktionen nicht mehr aufrechterhalten.
Eine plötzlich auftretende Lähmung eines oder beider Hinterbeine ist oft das erste Symptom, das dem Besitzer auffällt. Je nach Schweregrad fühlen sich die Beine kalt an, der Puls in dem Bereich ist schwach bis nicht zu fühlen, manchmal sind die Ballenbereiche bläulich verfärbt. Im Rettungsdienst lassen sich vor Ort weitere Untersuchungen durchführen, die den ersten Verdacht sehr erhärten. Weitergehende Untersuchungen in der Klinik oder bei niedergelassenen Kollegen z.B. mit Ultraschall sichern dann die Diagnose endgültig. Oft sind jüngere Tiere betroffen, viele Katzenbesitzer wissen bis zum Auftreten der Thrombose nichts von der Herzerkrankung. Vorbeugend kann daher wenig unternommen werden. Die Heilungsaussichten sind leider äußerst schlecht. Es gibt unterschiedliche Therapieansätze, um die Blutgerinnsel über Medikamente aufzulösen. In manchen Fällen kann auch eine Operation erwogen werden, um das Gerinnsel zu entfernen. Es handelt sich in allen Fällen um sehr aufwändige Anstrengungen, die eine intensive Betreuung der Tiere erfordern. Auch während der Therapien sterben viele Patienten bzw. müssen aufgrund ihrer großen Schmerzen erlöst werden. Falls das Tier überlebt, bleiben oft neurologische Schäden, hinzu kommt auch die Gefahr, dass sich erneut Gerinnsel bilden.
Bei unserem Patienten angekommen, kann die Verdachtsdiagnose leider sehr schnell gestellt werden. Da die Katze tagsüber alleine zu Hause war, kann der Zeitpunkt des Auftretens nicht bestimmt werden. Das klinische Bild spricht jedoch dafür, dass die Thrombose bereits einige Stunden alt ist. Der Besitzer wird über das Krankheitsbild aufgeklärt und die möglichen Therapieoptionen mit allen Risiken und Prognosen besprochen. Sein einziger Wunsch ist es, das geliebte Tier nicht leiden zu lassen. Nach dem Transport in die Klinik wird die Verdachtsdiagnose in der Ultraschall- Untersuchung bestätigt und der Patient von seinem Leiden erlöst.
Die Aortenthrombose ist ein akuter Notfall, der umgehend tiermedizinisch versorgt werden muss. Die Tiere haben starke Schmerzen, die Chancen zu überleben sinken, je länger es nicht versorgt wird.