Tierernährung – Teil 1: Schwerpunkt Hund Nicht fett füttern und ausreichend bewegen
Dr. Henning Wiesner gibt entscheidende Tipps in Sachen gesunder Tierernährung.
Er ist nicht nur Präsident von der aktion tier-tierrettung münchen, sondern eine internationale Koryphäe in Sachen Tiermedizin: Prof. Dr. Henning Wiesner. Selbst in seiner früheren Tätigkeit als Zoodirektor von Hellabrunn hatte er sich stets persönlich und veterinärmedizinisch um das Wohl seiner Tiere gekümmert. Zu seinen Spezialgebieten gehört neben der Distanzimmobilisation von Zoo- und Wildtieren deren richtige Fütterung. Zusammen mit seiner Kollegin und Tierrettungs-Beirätin Julia Gräfin Maltzan hat er mittlerweile nicht nur eine Akademie für Zoo- und Wildtierschutz e.V. gegründet, sondern auch eine eigene Praxis eröffnet. Zu seinen Patienten gehören auch viele Hunde, Katzen und Vögel. Der Tierpost gibt er entscheidende Tipps in Sachen gesunder Tierernährung.
Tierpost: Können denn Hunde- und Katzenbesitzer bei der Fütterung ihrer Lieblinge wirklich so viel falsch machen?
Prof.Wiesner: Leider ja. In der Haltung von Hunden und Katzen werden gerade bei der Fütterung große Fehler begangen. Das erklärt sich uns am besten, wenn wir einmal einem Raubtier in seiner natürlichen Umgebung beim Fressen zuschauen. Hunde und Katzen gehören zoologisch gesehen zu den Carnivora, das heißt auf gut deutsch: Sie fressen Fleisch und kaum Kohlenhydrate. So frisst ein Wolfsrudel zum Beispiel einen gerissenen Hirsch mit Haut und Haaren auf, wobei zuerst die Fleischanteile, dann die Knochen, die Innereien und ganz zum Schluss den Magen- und Darmtrakt, zum Teil mit Inhalt. Die wenigen Kohlenhydrate, die sie dabei aufnehmen, liegen genau da drin, wobei hier die Aufnahme von Vitaminen und unverdaulicher Rohfaser ernährungsphysiologisch bedeutsamer ist als Zucker und Stärke.
Tierpost: Aber entspricht denn der Hund ernährungsphysiologisch gesehen überhaupt noch seinem Urahn Wolf?
Prof.Wiesner: Selbstverständlich. Sicherlich sind in Einzelfällen, vor allem bei vermutlich durch Inzucht bedingte Krankheiten des Magen-Darmtraktes, spezielle Diäten erforderlich. Wichtig ist dabei aber, dass stets ein hoher Anteil tierischen Eiweißes gewährleistet bleibt. Wenn ein Wolf seine Beute mit Haut und Haar frisst, ist sichergestellt, dass er durch die Knochen ein ausgewogenes Calcium-Phosphor-Verhältnis aufnimmt, das in etwa in der Höhe von 2 : 1 liegt. Würde er sich rein vom Fleisch ernähren, käme es beim Jungtier zu einer sogenannten Osteomalazie, die beim Menschen dem Krankheitsbild des Rachitis entspricht und durch einen chronischen Calciumund Vitamin D 3-Mangel bedingt wird. Beim ausgewachsenen Hund kommt es dagegen zu einer Entmineralisierung des Knochenskeletts, was wir beim Menschen als Osteoporose bezeichnen. Hier werden schon einmal die meisten Fehler gemacht, weil vor allem bei selbst zusammengestellten Diäten zu wenig Calcium gefüttert wird.
Tierpost: Was also können Hundebesitzer tun?
Prof. Wiesner: Bei den im Handel erhältlichen Fertigfuttermitteln, sei es nun Nass- oder Trockenfutter, ist bei richtiger Anwendung ein richtiges Calcium-Phosphor-Verhältnis ebenso gewährleistet wie die Aufnahme der lebensnotwendigen anderen Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen. Wenn Sie Ihr Hundefutter selbst zubereiten, können Sie zur Sicherheit täglich Schlemmkreide zufüttern, wovon wir einem zirka 30 Kilogramm schweren Hund täglich einen gestrichenen Teelöffel ins Futter untermischen. Dies ist reines Calciumcarbonat, das man nicht überdosieren kann. Wenn Sie es aber ganz sicher wissen wollen, gehen Sie in die ernährungsphysiologische Beratung der LMU München zu Frau Prof. Dr. Ellen Kienzle (Lehrstuhl für Tierernährung und Diätetik, Schönleutnerstraße 8, 85764 Oberschleißheim, Tel: +89 218 078 700) die Ihnen mit viel Liebe und Sachverstand computermäßig nach Alter und Gewicht Ihres Tieres die richtige Diät zusammenstellt.
Tierpost: Was ist noch zu beachten?
Prof. Wiesner: Einfach nur eine Futterdose aufzumachen oder in den Sack mit Trockenfutter greifen, wird aber allein den Fleischfressern nicht gerecht. So ist es sehr wichtig, dass vor allem große Hunderassen nicht, wie es z.B. Labradore gerne tun, die vorgesetzte Futterration wie ein Staubsauger in sich hineinschlingen und dabei das Kauen völlig vergessen. Beim Zerkauen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Haut und Bindegewebe wird nicht nur das Zahnfleisch zur Durchblutung angeregt, sondern auch die Speicheldrüsen. Der abgesonderte Speichel trägt zur Säuerungspufferung des Magen-Darmtraktes, also zum pH-Wert, maßgeblich bei.
Tierpost: Aber wie bringe ich meinen Hund zum Nichtschlingen?
Prof. Wiesner: Indem Sie ihm ganz einfach eine Riesenfreude dadurch bereiten, indem Sie ihm täglich Rinderoder Kälberknochen (Oberschenkel, Rippen etc.) zum Abnagen anbieten, wobei von den großen Röhrenknochen zum Beispiel der Femorkopf mit Knorpel- und Knochensubstanz besonders gern aufgenommen wird. Ein sehr gutes Beschäftigungsfutter, das zudem reichlich Bindegewebe enthält, was für die Sehnen, Bänder und Gelenke Ihres Lieblings ist. Dazu gehört auch frischer oder getrockneter Pansen so wie die oft bei der Fütterung vernachlässigte Luftröhre von Rind oder Kalb. Die müssen wir allerdings vor dem Verfüttern der Länge nach aufschlitzen, da sich sonst bei der Aufnahme von einem in Gänze erhaltenen Luftröhrenring eine tödliche Darmeinstülpung bilden könnte.
Tierpost: Wie viel Fertigfutter verträgt mein Hund?
Prof. Wiesner: Das hängt von der Rasse, dem Alter und dem täglichen Lauftraining ab. Hauptfehler liegt hier erfahrungsgemäß in der Überfütterung der Tiere, weshalb viele Hunde schlicht und einfach viel zu fett sind. Wenn Sie an Knochen und Pansen etc. denken, können Sie Ihren Hund bedenkenlos mit Fertigfutter ernähren, ohne selbst kochen zu müssen.
Tierpost: Wenn man nun selbst Hundefutter zubereitet – sollte man roh oder gekocht füttern?
Prof. Wiesner: Die Vorstellung, dass Hunde von rohem Fleisch aggressiv werden, ist falsch. Achten sollten Sie auf die regelmäßige Gabe von Vitamin B-Komplex, was Ihnen Ihr Liebling mit einem schönen, seidig glänzenden Fell danken wird. Dazu fragen Sie Ihren Tierarzt.