Zahnerkrankungen beim Kaninchen
Immer dann, wenn Kaninchen wenig, selektiv oder nicht mehr fressen, muss ein Zahnproblem dringend in Betracht gezogen werden. Beim Kaninchen wachsen die Zähne lebenslang, ungefähr 1-2 mm pro Woche, und nutzen sich normalerweise beim Kauen an den gegenüberliegenden Zähnen ab.
Kaninchen kommen bereits mit ihrem Milchgebiss auf die Welt, das insgesamt 16 Zähne enthält. Im Alter von etwa 3-5 Wochen erfolgt der Wechsel zum bleibenden Gebiss, das aus 28 Zähnen besteht. Im Oberkiefer liegen direkt hinter den beiden Schneidezähnen die sogenannten Stiftzähne. Zusammen mit den beiden Schneidezähnen des Unterkiefers wird eine Schere gebildet, d.h. beim Kieferschluss treffen die Schneidezähne nicht aufeinander. Die Oberkieferschneidezähne liegen vor den Unterkieferschneidezähnen. Im Gegensatz dazu treffen die Backenzähne im Idealfall gerade aufeinander.
Die Untersuchung der Zähne beim Tierarzt erfolgt zunächst bei geschlossenem Kiefer. Die Lippen werden hochgezogen und die Stellung der Schneidezähne begutachtet sowie nach etwaigen Veränderungen gesucht. Mithilfe eines Otoskops, das normalerweise bei der Untersuchung der Ohren zum Einsatz kommt, kann anschließend ein erster Blick in die Maulhöhle selbst getan werden. Größere Veränderungen können dabei oftmals erfasst werden. Um aber auch unauffälligere Befunde, z.B. nadelfeine Auswüchse der Backenzähne und durch diese verursachte punktförmige Wunden sicher ausschließen zu können, muss das Tier meist sediert werden. Anschließend kann das Maul dann mit einem Kiefer-Spreizer geöffnet und gründlich begutachtet werden.
Gründe für Zahnerkrankungen sind leider häufig Fütterungsfehler.
Kaninchen brauchen reichlich hochwertiges Heu und Grünfutter und sollten als Hobbytiere nicht mit Trockenfutter/ Kraftfutter ernährt werden. Ergänzend dazu können (natürlich unbehandelte!) Zweige von Apfel- oder Birnbaum oder von Haselnussbäumen angeboten werden, um die Tiere zu beschäftigen und einen ausreichenden Zahnabrieb sicherzustellen. Als Leckerli eignen sich Erbsenflocken oder geschälte Sonnenblumenkerne (jeweils ein Stück pro Tag genügt). Die im Handel angebotenen und allseits beliebten Joghurtdrops dagegen sind nicht geeignet.
Eine weitere Ursache für Zahnerkrankungen sind Fehlstellungen der Zähne.
Einige davon sind genetisch bedingt, beispielsweise durch eine angeborene Verkürzung der Kiefer (Zucht auf sogenanntes „Kindchen-Schema“). Dadurch wird der Zahnkontakt derart verändert, dass ein gleichmäßiges Abschleifen nicht mehr möglich ist. Ein Beispiel dafür ist das Zangengebiss – dort stehen die Schneidezähne nicht wie oben beschrieben als Scherengebiss, sondern treffen mit den Spitzen aufeinander. Weiterhin können auch Knochenveränderungen (alters- oder krankheitsbedingt), Zahnverlust, Tumore oder Kieferfrakturen zu Zahnproblemen führen. Auch eine durch andere Grunderkrankungen bedingte Inappetenz kann durch fehlenden Abrieb der Zähne Probleme bereiten. Durch Fehlwachstum von Zähnen und/oder Einspießen von Fremdkörpern, z.B. Futterpartikeln, kann es zu Zahnabszessen kommen.
Woran erkenne ich eine Zahnerkrankung beim Kaninchen?
Häufig fällt Tierbesitzern verminderte Fresslust, Abmagerung und veränderter Kotabsatz/Verstopfung auf. Auch eine selektive Futteraufnahme bzw. eine verlängerte Futteraufnahme sowie bei fortgeschrittener Erkrankung übermäßiger Speichelfluss und in Verbindung damit eventuelle Hautekzeme im Unterkieferbereich können auftreten. Fehlstellungen oder abnormes Wachstum der Schneidezähne sind in einigen Fällen auch für den Halter offensichtlich. Scharfe Kanten durch schief abgeschliffene Backenzähne verursachen Wunden und Geschwüre im Maulbereich. Wegen der dadurch bedingten Schmerzen stellen die Tiere die Futteraufnahme ein und können schlimmstenfalls verhungern.
Abszesse können durch verschiedene bakterielle Erreger verursacht werden und mit Einschmelzungen von Knochengewebe, Auftreibungen des Kieferknochens sowie Nasen- und Augenausfluss einhergehen. Eine besondere Komplikation sind Abszesse der hinteren Backenzähne des Oberkiefers, die eine Schwellung hinter dem Auge verursachen und dadurch zu einer Vorverlagerung des Augapfels führen können.
Kieferabszesse haben leider fast immer eine ungünstige Prognose, da sie häufig erneut auftreten und außerdem die Gefahr besteht, dass Bakterien mit dem Blutstrom in den Körper gelangen. Sie müssen möglichst komplett entfernt und ausgeräumt und betroffene Zähne gezogen werden. Oft kommt es zu Wundheilungsstörungen, daher sollte mit einem Antibiotikum und natürlich mit einem Schmerzmittel therapiert werden. In einigen Fällen können die Abszesse hinter der Augenhöhle liegen und auf deren Strukturen übergreifen, sodass sogar eine Entfernung des Augapfels nötig sein kann.
Neigt ein Kaninchen zu Zahnproblemen, so ist oft eine lebenslange Therapie nötig.
Je nach Befund sollte engmaschig kontrolliert werden. Schneidezähne können mit einer Trennscheibe gekürzt werden. Bei Verwendung einer Zange splittern die Zähne leicht, dies sollte daher möglichst vermieden werden. Meist muss dies etwa alle 4-8 Wochen wiederholt werden. Gegebenenfalls können diese Abstände durch eine Anpassung der Fütterung, d.h. viel gutes Heu und Grünfutter, kein Fertigfutter, verlängert werden. Es kann auch ein Ziehen der Schneidezähne in Betracht kommen, allerdings birgt dies auch Nachteile (Futter muss vorher zerkleinert werden, das Putzen ist beeinträchtigt) und sollte daher gut abgewogen werden. Spitzen an den Backenzähnen müssen abgetragen und geschliffen werden, um die Kaufläche wieder in die normale Form zu bringen.
Solange keine selbstständige Futteraufnahme erfolgt, muss unbedingt mit einem Päppelbrei speziell für Kaninchen zugefüttert werden. Da Kaninchen (wie auch Meerschweinchen, Chinchillas und Degus) nur sehr wenig Muskulatur in ihrem Magen und Darm haben, sind sie darauf angewiesen durch ständige Nahrungsaufnahme, also ständiges Nachschieben von vorne, den Futterbrei durch ihren Verdauungskanal zu bewegen. Passiert dies nicht, besteht die Gefahr einer Verschiebung des Gleichgewichtes der Darmflora und damit verbunden häufig eine übermäßige Gasentwicklung, Kreislaufprobleme und unter Umständen sogar ein Darmverschluss.